Grundeigentum zum Familienpreis

Die Immo­bi­li­en­prei­se in der Schweiz neh­men in der Ten­denz immer wei­ter zu. Dem­entspre­chend ist es umso erstre­bens­wer­ter, Grund­ei­gen­tum inner­halb der Fami­lie wei­ter­zu­ge­ben. Oft­mals ver­ein­ba­ren die Fami­li­en­mit­glie­der dabei einen „Fami­li­en­preis“, wel­cher deut­lich unter dem Markt­wert liegt. Ein sol­ches Vor­ge­hen birgt jedoch Risiken.

Überblick

Wird eine Immo­bi­lie bzw. ein Grund­stück zu Leb­zei­ten inner­halb der Fami­lie wei­ter­ge­ge­ben, so wird oft­mals ein «Fami­li­en­preis» ver­ein­bart, wel­cher deut­lich unter dem Markt­wert liegt. Dabei kann es sich um eine gemisch­te Schen­kung oder um einen Erb­vor­be­zug han­deln. Ein sol­ches Vor­ge­hen birgt Risi­ken auf ver­schie­de­nen Ebe­nen. Einer­seits sind auf erbrecht­li­cher Ebe­ne eine all­fäl­li­ge Aus­glei­chungs­pflicht, eine Her­ab­set­zung auf­grund Pflicht­teils­ver­let­zun­gen sowie das Risi­ko einer Wert­stei­ge­rung oder Wert­min­de­rung der Immo­bi­lie zu berück­sich­ti­gen. Ande­rer­seits haben Schen­kun­gen und Erb­vor­be­zü­ge zu Leb­zei­ten Aus­wir­kun­gen auf einen all­fäl­li­gen Bezug von Ergänzungsleistungen.

Grundeigentum zum Familienpreis – Fallbeispiele

Eine allein­ste­hen­de Mut­ter hat zwei Söh­ne. Der älte­re Sohn möch­te zu Leb­zei­ten der Mut­ter das Eltern­haus über­neh­men. Die Mut­ter ver­ein­bart mit dem älte­ren Sohn einen Kauf­preis in Höhe von CHF 500’000.-, wobei der aktu­el­le Markt­wert zu die­sem Zeit­punkt CHF 750’000.- beträgt.

(a) Zwei Jah­re spä­ter ver­stirbt die Mut­ter. Der Markt­wert der Lie­gen­schaft hat sich in die­ser Zeit nicht mass­geb­lich verändert.

(b) Die Mut­ter ver­stirbt zwan­zig Jah­re spä­ter, wobei die Lie­gen­schaft bis zum Zeit­punkt ihres Todes deut­lich an Wert gewon­nen hat. Der Markt­wert beträgt unter­des­sen CHF 1’250’000.-. Der älte­re Sohn hat in der Zwi­schen­zeit diver­se Inves­ti­tio­nen in die Lie­gen­schaft getätigt.

(c) Gleich­zei­tig mit der Grund­stücks­über­tra­gung an den älte­ren Sohn über­gibt die Mut­ter dem jün­ge­ren Sohn einen Betrag von CHF 250’000.–, um die bei­den Söh­ne gleich zu behan­deln. Im Todes­zeit­punkt der Mut­ter beträgt der Markt­wert der Lie­gen­schaft CHF 1’250’000.–.

(d) Die Mut­ter tritt fünf Jah­re spä­ter in ein Alters- und Pfle­ge­heim ein. Auf­grund der hohen Pfle­ge­kos­ten muss sie nach ihrem zwei­jäh­ri­gen Auf­ent­halt Ergän­zungs­leis­tun­gen beantragen.

a) Risiko Ausgleichungspflicht / Herabsetzung

Ver­kau­fen die Par­tei­en eine Lie­gen­schaft zu Leb­zei­ten unter dem Markt­wert, so ist im Erb­gang eine all­fäl­li­ge Aus­glei­chungs­pflicht zu berück­sich­ti­gen. Die gesetz­li­chen Erben sind gegen­sei­tig ver­pflich­tet, alles zur Aus­glei­chung zu brin­gen, was ihnen der Erb­las­ser zu Leb­zei­ten auf Anrech­nung an ihren Erb­an­teil zuge­wen­det hat. Der älte­re Sohn hat folg­lich gegen­über sei­nem Bru­der CHF 250’000.- (Dif­fe­renz Markt­wert per Todes­tag abzüg­lich Ver­kaufs­preis) zur Aus­glei­chung zu bringen.

Möch­te die Mut­ter den älte­ren Sohn von der Aus­glei­chungs­pflicht befrei­en, so muss sie dies aus­drück­lich (z.B. in einem Tes­ta­ment) fest­hal­ten. Jedoch dür­fen dabei die Pflicht­tei­le des jün­ge­ren Bru­ders nicht ver­letzt wer­den. Ansons­ten könn­te die­ser als pflicht­teils­ge­schütz­ter Erbe eine Her­ab­set­zungs­kla­ge anstreben.

Sinn­vol­ler­wei­se wird die Höhe der Aus­glei­chungs­pflicht bzw. eine all­fäl­li­ge Befrei­ung von der Aus­glei­chungs­pflicht von der Mut­ter in einer letzt­wil­li­gen Ver­fü­gung (Tes­ta­ment) fest­ge­hal­ten. Alter­na­tiv kön­nen die Par­tei­en in einem Erb­ver­trag die erbrecht­li­chen Ansprü­che ver­bind­lich regeln, sofern sich alle Par­tei­en einig und bereits voll­jäh­rig sind.

b) Risiko Wertsteigerung/-minderung

Die Aus­glei­chungs­pflicht des Begüns­tig­ten kann pro­ble­ma­tisch wer­den, wenn die Lie­gen­schaft seit dem Ver­kauf unter Markt­wert deut­lich an Wert gewon­nen oder ver­lo­ren hat. Da für die Höhe der Aus­glei­chung der Ver­kehrs­wert im Zeit­punkt der Erb­tei­lung mass­ge­bend ist, wer­den Wert­stei­ge­run­gen/-min­de­run­gen im Erb­gang anhand der Quo­ten­me­tho­de berücksichtigt:

(Wert Lie­gen­schaft per Todes­tag) x (effek­tiv geschenk­ter Teil­be­trag bei Vertragsschluss)
(Wert Lie­gen­schaft bei Vertragsschluss)

Ohne Berück­sich­ti­gung der getä­tig­ten Inves­ti­tio­nen hät­te der älte­re Sohn im Nach­lass der Mut­ter anstatt der ursprüng­lich ange­nom­men CHF 250’000.- den Betrag von CHF 416’666.65 aus­zu­glei­chen.[1]

In der Pra­xis stellt oft die Fest­le­gung des Ver­kehrs­wer­tes im Zeit­punkt des Eigen­tum­über­gan­ges ein Pro­blem dar, da die Schät­zung erst im Nach­hin­ein erfolgt. Hat der Über­neh­mer über­dies in der Zwi­schen­zeit beträcht­li­che Inves­ti­tio­nen in die Lie­gen­schaft vor­ge­nom­men, erge­ben sich meist erheb­li­che Beweis­pro­ble­me. Es ist daher rat­sam, bereits im Zeit­punkt des Eigen­tum­über­gan­ges ein Ver­kehrs­wert­gut­ach­ten mit­tels Exper­ten­schät­zung erstel­len zu las­sen und alle seit­he­ri­gen Inves­ti­tio­nen mit Bele­gen zu doku­men­tie­ren. Alter­na­tiv kön­nen sich alle Betei­lig­ten in einem Erb­ver­trag auf einen ver­bind­li­chen Wert einigen.

Das Risi­ko Wert­stei­ge­run­g/-min­de­rung ist ins­be­son­de­re bei unbe­bau­ten Grund­stü­cken sehr hoch. Durch Um- oder Aus­zo­nun­gen kön­nen Grund­stü­cke im Lau­fe der Zeit immens an Wert gewin­nen oder ver­lie­ren (bei­spiels­wei­se Land­wirt­schafts- in Bau­zo­ne oder umge­kehrt). Ins­be­son­de­re bei einer hohen Wert­stei­ge­rung ver­fügt der begüns­tig­te Erbe meist über zu wenig liqui­de Mit­tel, um die rest­li­chen Erben aus­zu­be­zah­len. Dies kann sodann zu dem unbe­frie­di­gen­den Umstand füh­ren, dass das Grund­stück ohne vor­gän­gi­ge ver­bind­li­che erbrecht­li­che Rege­lung an einen Drit­ten ver­kauft wer­den muss.

c) Risiko «vermeintliche Gleichbehandlung»

Vor­lie­gend erhal­ten die bei­den Söh­ne im Zeit­punkt der Grund­stücks­über­tra­gung wert­mäs­sig den glei­chen Betrag von der Mut­ter geschenkt. Wäh­rend beim älte­ren Sohn der Kauf­preis um CHF 250’000.– redu­ziert wur­de, erhielt der jün­ge­re Sohn einen gleich hohen Bar­be­trag von CHF 250’000.–. Ziel der Mut­ter ist im vor­lie­gen­den Fall­bei­spiel kla­rer­wei­se eine Gleich­be­hand­lung der bei­den Söhne.

Aller­dings ist aus erbrecht­li­cher Sicht für die Höhe der Aus­glei­chungs­pflicht des älte­ren Soh­nes der Ver­kehrs­wert des Grund­stücks im Todes­zeit­punkt der Mut­ter mass­geb­lich. Auf­grund der gemisch­ten Schen­kung muss der älte­re Sohn im Todes­zeit­punkt der Mut­ter nicht nur CHF 250’000.– aus­glei­chen, son­dern den Betrag von CHF 416’666.65. Der jün­ge­re Sohn hat hin­ge­gen wei­ter­hin aus­schliess­lich die CHF 250’000.- auszugleichen. 

Wenn die Par­tei­en die­ses Risi­ko ver­mei­den möch­ten, soll­ten sie im Grund­stück­kauf­ver­trag fest­hal­ten, dass ledig­lich der Betrag von CHF 250’000.- im Erb­fall aus­ge­gli­chen wer­den muss. Um all­fäl­li­ge Her­ab­set­zungs­kla­gen auf­grund von Pflicht­teils­ver­let­zun­gen vor­zu­beu­gen, muss die Fami­lie gemein­sam zusätz­lich einen Erb­ver­trag abschliessen.

d) Risiko Bezug von Ergänzungsleistungen

Neben den erbrecht­li­chen Kon­se­quen­zen sind auch Aspek­te hin­sicht­lich eines all­fäl­li­gen Bezugs von Ergän­zungs­leis­tun­gen (EL) zu berück­sich­ti­gen. Ein Anspruch auf Ergän­zungs­leis­tun­gen ent­steht, wenn die AHV- oder IV-Ren­te sowie all­fäl­li­ge zusätz­li­che Ein­kom­men den Lebens­un­ter­halt nicht decken kön­nen. Die­ses Risi­ko besteht ins­be­son­de­re im Fal­le der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit im Alter, da ein Auf­ent­halt in einem Alters- und Pfle­ge­heim in der Regel unwei­ger­lich zu einem Ver­mö­gens­ver­zehr führt.

Bei der Prü­fung des Ergän­zungs­leis­tungs­an­spruchs wird ein Ver­mö­gens­ver­zicht hin­zu­ge­rech­net, als wäre nie dar­auf ver­zich­tet wor­den. Ver­zichts­ver­mö­gen wird auf den 1. Janu­ar des Fol­ge­jah­res unver­än­dert über­tra­gen und danach jähr­lich um CHF 10’000.- ver­min­dert, wobei das Gesetz kei­ne Ver­jäh­rung für den Ver­mö­gens­ver­zicht vorsieht.

Der Ver­kauf einer Lie­gen­schaft unter dem Markt­wert kann dem­nach zu einer Kür­zung der Ergän­zungs­leis­tun­gen füh­ren. Vor­lie­gend liegt im Zeit­punkt der Grund­stücks­über­tra­gung Ver­zichts­ver­mö­gen in Höhe von CHF 250’000.- vor. Die­ses wird auf den 1. Janu­ar des Fol­ge­jah­res unver­än­dert über­tra­gen und danach jähr­lich um CHF 10’000 ver­min­dert. Im Zeit­punkt der Bean­tra­gung von Ergän­zungs­leis­tun­gen gemäss Fall­bei­spiel liegt somit Ver­zichts­ver­mö­gen von CHF 190’000.- vor. Wird ein Anspruch auf Ergän­zungs­leis­tung auf­grund von Ver­zichts­ver­mö­gen ver­neint, muss der feh­len­de Betrag über die Sozi­al­hil­fe ange­for­dert wer­den, wobei eine all­fäl­li­ge Ver­wand­ten­un­ter­stüt­zungs­pflicht zur Anwen­dung gelangt.

Fazit und Handlungsoptionen

Beim Ver­kauf von Grund­ei­gen­tum unter Markt­wert gibt es vie­le ver­steck­te Stol­per­fal­len. Möch­te man den­noch einen «Fami­li­en­preis» ver­ein­ba­ren, so soll­te man sich den Kon­se­quen­zen bewusst sein. Ins­be­son­de­re die Ermitt­lung der erbrecht­li­chen Aus­glei­chungs­pflicht kann unter Berück­sich­ti­gung von Wert­stei­ge­run­gen/-min­de­run­gen sowie getä­tig­ten Inves­ti­tio­nen zu einem erheb­li­chen Auf­wand und Beweis­ri­si­ko im spä­te­ren Erb­gang führen.

Um böse Über­ra­schun­gen zu ver­mei­den, lohnt es sich in jedem Fall durch ent­spre­chen­de Vor­keh­run­gen Klar­heit zu schaf­fen. Im bes­ten Fall stre­ben die Par­tei­en eine ver­bind­li­che Rege­lung im Rah­men eines gemein­sa­men öffent­lich zu beur­kun­den­den Erb­ver­tra­ges an. Sofern sich die Par­tei­en bzw. die Erben nicht einig sind, kann auch ein ein­sei­ti­ges Tes­ta­ment zu einer gewis­sen Ver­bind­lich­keit füh­ren. Zudem kann es unter Umstän­den rat­sam sein, bereits im Zeit­punkt des Eigen­tum­über­gan­ges ein Ver­kehrs­wert­gut­ach­ten erstel­len zu las­sen und alle Inves­ti­tio­nen mit Bele­gen zu doku­men­tie­ren. Ein Aus­gleich sämt­li­cher Nach­kom­men im Zeit­punkt der Grund­stücks­über­tra­gung ist eben­so ein Lösungs­an­satz, sofern gleich­zei­tig die erbrecht­li­chen Kon­se­quen­zen ver­bind­lich gere­gelt werden. 

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[1] Berech­nung: CHF 1’250‘000.- x CHF 250‘000.- / CHF 750‘000.-. Wenn ein Zivil­pro­zess lan­ge andau­ert, kön­nen die Par­tei­en eine Nach­schät­zung ver­lan­gen, da der Wert im Zeit­punkt der Erb­tei­lung mass­ge­bend ist.

[2] Stand Mai 2024; Autorin: RAin Sarah Dietschweiler.

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