Mietrecht: Anfechtung des Anfangsmietzinses
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Das knappe Wohnungsangebot in gewissen Regionen der Schweiz geht vielfach zulasten der Mieterschaft: Nicht selten erhöhen Vermieterinnen und Vermieter beim Auszug von Mieterinnen und Mietern die Mietzinse für das Mietobjekt. In vielen Fällen ist eine Erhöhung des Mietzinses ungerechtfertigt und missbräuchlich. Der Mieterschaft steht in solchen Fällen der Weg offen, den Anfangsmietzins anzufechten. Am 26. Oktober 2020 hat das Bundesgericht (Urteil 4A_554/2019) die Berechnungsmethode der zulässigen Rendite verändert, wobei die Voraussetzungen betreffend die Anfechtung der Mietzinse dieselben geblieben sind.
1. Wie habe ich bei einer Anfechtung vorzugehen und welche Voraussetzungen müssen vorliegen?
Neumieterinnen und Neumieter können den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übergabe des Mietobjekts bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten und eine Herabsetzung des Mietzinses verlangen. Damit eine Anfechtung erfolgreich sein wird, muss eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
i) es liegt eine persönliche oder familiäre Notlage (z.B. Scheidung, Geburt, Arbeitssituation, Studium, finanzielle Engpässe) bei der Mieterschaft vor, resp. es besteht Wohnungsknappheit; oder
ii) die Vermieterschaft muss den Anfangsmietzins des Mietobjekts im Vergleich zum vorherigen Mietverhältnis erheblich erhöht haben (Preiserhöhung > 10%, ohne, dass eine Sanierung o.Ä. stattgefunden hat).
Neumieterinnen und Neumieter haben das Recht, von der Vermieterschaft zu erfahren, wie hoch der Mietpreis des Mietobjekts vor ihrem Einzug war. In einigen Kantonen (Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Neuenburg, Waadt, Zug und Zürich)[1] muss diese Information sogar zwingend durch die Vermieterschaft auf einem amtlich genehmigten Formular gegenüber der Mieterschaft offengelegt werden.
2. Wann gilt ein Mietzins als missbräuchlich?
Die Missbräuchlichkeit eines Mietzinses wird i.d.R. dann bejaht, wenn die Vermieterschaft mit den Mieteinnahmen einen übersetzten Ertrag erwirtschaftet. Es existieren verschiedene Methoden, um festzustellen, ob dies der Fall ist:
- Orts- und Quartierüblichkeit: Ältere Liegenschaften sowie solche, welche seit mehr als 30 Jahren nicht mehr die Eigentümerschaft gewechselt haben, werden nach der Orts- und Quartierüblichkeit beurteilt. Dabei wird anhand von fünf Vergleichsobjekten (vergleichbar in Bezug auf die Lage, den Zustand, die Grösse, die Ausstattung, das Alter etc.) nachgewiesen, dass das konkrete Mietobjekt mit den Vergleichsobjekten bezüglich des Preises nicht vergleichbar ist. An dieser Stelle ist allerdings festzuhalten, dass die Anforderungen an die Vergleichbarkeit streng sind und ein Nachweis i.d.R. nur schwer zu erbringen ist.
- Bruttorendite: Bei Neubauten resp. jüngeren Objekten (<10 Jahre) berechnet sich der zulässige Mietpreis anhand der Bruttorendite, d.h. dem Verhältnis der Nettomietzinseinnahmen (Einnahmen exkl. Nebenkosten) zu den Anlagekosten (z.B. Gebäudeerstellungskosten, Landkosten und der damit verbundenen Nebenkosten). Die höchstens zulässige Bruttorendite darf nicht grösser als 2% des jeweils aktuellen Referenzzinssatz sein.
- Nettorendite: Ist die Liegenschaft seit weniger als 30 Jahren im Eigentum derselben Person/Gesellschaft, wird für die Beurteilung, ob ein missbräuchlicher Mietzins (übersetzter Betrag i.S.v. Art. 269 des Obligationenrechts) vorliegt, die Nettorendite herangezogen. Gemäss einem jüngeren Urteil des Bundesgerichts (Urteil 4A_554/2019 vom 26. Oktober 2020) wird eine Rendite als zulässig erachtet, wenn diese den Referenzzinssatz um 2% übersteigt. Dies ist immerhin dann der Fall, wenn der Referenzzinssatz kleiner als 2% ist (aktuell liegt der Referenzzinssatz bei 1.25%, weshalb die zulässige Nettorendite bei 3.25% liegt).
3. Fazit
Vielerorts gestaltet sich die Suche nach einer geeigneten und zahlbaren Wohnung als schwierig. Vielfach nutzt die Vermieterschaft die Situation z.B. eines knappen Wohnungsangebots aus und hebt die Mietzinse beim Auszug der bisherigen Mieterschaft (teilweise erheblich) an. U.a. deshalb kann es vorkommen, dass Anfangsmietzinse missbräuchlich sind. Die neue Mieterschaft kann sich dagegen mittels Anfechtung des Anfangsmietzinses zur Wehr setzten. Bei erfolgreicher Anfechtung wird der Mietzins durch das Gericht auf das zulässige Mass reduziert.
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[1] Dies gilt auch für den Kanton Luzern, sofern die Leerstandsziffer bei oder unter 1.5% liegen sollte.