
Rechtliche Hürden für LGBTQIA+-Personen in der Schweiz

In den letzten Jahren wurde die Rechtsstellung von LGBTQIA+-Personen in der Schweiz erheblich verbessert. Im Grundsatz wurden die Rechte an jene heterosexueller Paare angeglichen und vereinheitlicht. So können seit dem 1. Juli 2022 auch gleichgeschlechtliche Paare den Ehebund eingehen. Wurde auch das Erb- und Adoptionsrecht angeglichen? Wie kann ich mich gegen Diskriminierung aufgrund meiner sexuellen Orientierung wehren? Wir geben Ihnen einen Überblick über die für LGBTQIA+-Personen in der Schweiz wichtigsten rechtlichen Themenbereiche.
Ehe für alle – Was sind die vermögensrechtlichen Folgen?
Heiraten gleichgeschlechtliche Paare, so unterstehen sie von Gesetzes wegen dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen fällt somit in die Errungenschaft und wird im Falle der Auflösung der Ehe grundsätzlich hälftig aufgeteilt. Nicht in die Errungenschaft fällt beispielsweise eine Erbschaft oder eine Schenkung. Durch einen Ehevertrag können die Eheleute einen anderen Güterstand (Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) wählen.
Im Todesfall gilt wie bei heterosexuellen Ehepartnern die gesetzliche Erbfolge. So geht bei kinderlosen Paaren ein Teil des Erbes an die Eltern des Verstorbenen. Mit einer erbrechtlichen Vereinbarung kann von dieser Regelung abgewichen und das gesamte Erbe beispielsweise dem überlebenden Ehepartner vermacht werden.
LGBTQIA+: Von der eingetragenen Partnerschaft zur Ehe
Vor dem 1. Juli 2022 konnten gleichgeschlechtliche Paare lediglich eine eingetragene Partnerschaft eingehen. Die Begründung einer solchen ist seit der Gesetzesrevision jedoch nicht mehr möglich. Wer seine eingetragene Partnerschaft nicht beibehalten will, kann eine Umwandlung in eine gleichgeschlechtliche Ehe vor dem Zivilstandsamt veranlassen.
Der Unterschied einer Umwandlung liegt vor allem im anwendbaren Güterstand. Während bei einer eingetragenen Partnerschaft standardmässig der Güterstand der Gütertrennung zur Anwendung kommt, gilt bei der Ehe der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Wird die eingetragene Partnerschaft in eine gleichgeschlechtliche Ehe umgewandelt, so kommt ab dem Zeitpunkt der Umwandlung ohne anders lautende Vereinbarung automatisch der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung zur Anwendung. Bei der eingetragenen Partnerschaft wie auch bei der Ehegemeinschaft kann jedoch ein abweichender Güterstand vereinbart werden.
Erbrechtliche Folgen einer eingetragenen Partnerschaft
Sie wollen die eingetragene Partnerschaft nicht in eine Ehe umwandeln? Aus erbrechtlicher Sicht sind eingetragene Partnerschaften einer Ehegemeinschaft gleichgestellt. So hat der überlebende eingetragene Partner dieselbe erbrechtliche Stellung wie der Ehepartner. Wir empfehlen dennoch bei jeder Art des Zusammenlebens die Aufsetzung eines Testaments oder eines Erbvertrages. So wird Ihr (Ehe-)Partner bei Ihrem Ablegen vermögensrechtlich abgesichert.
Adoption und Samenspende nur für Ehepaare
Bereits seit dem 1. Januar 2018 kann eine Person das Kind ihres Partners adoptieren (sogenannte Stiefkindadoption), wenn das Paar verheiratet ist, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer faktischen Lebensgemeinschaft lebt. Seit dem 1. Juli 2022 können gleichgeschlechtliche Paare zudem gemeinsam Kinder adoptieren, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Sie sind verheiratet,
- sie führen seit mindestens drei Jahren einen gemeinsamen Haushalt und
- sie sind beide mindestens 28 Jahre alt. Vom Mindestalter kann abgewichen werden, wenn dies zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist.
Verheiratete lesbische Paare haben in der Schweiz zudem Zugang zu Samenspenden. Beide Partner werden bei Geburt des Kindes automatisch als dessen Eltern anerkannt.
Gelten diese Regelungen auch, wenn Sie in eingetragener Partnerschaft leben? Nein, eine gemeinsame Adoption ist in diesem Fall nicht möglich. Ebenfalls haben lesbische Paare in eingetragener Partnerschaft keinen Zugang zu Samenspenden in der Schweiz.
Geschlechtsumwandlung – kann das Geschlecht und der Name geändert werden?
Namensänderungen sind bereits lange möglich, wobei diese sehr kostenintensiv sein können. Wenn die Namensänderung auf eine Geschlechtsumwandlung zurückzuführen ist, ist die Abwicklung jedoch kostengünstig und unbürokratisch möglich. Sie können somit Ihr Geschlecht und Ihren Vornamen ohne grossen Aufwand ändern. Sie müssen hierfür vor dem Zivilstandsamt Ihres Wohnkantons lediglich eine Erklärung abgeben. Die betroffene Person muss mindestens 16 Jahre alt sein. Jüngere Personen benötigen die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung. Die Änderung des Geschlechts hat keine Auswirkungen auf bestehende familienrechtliche Beziehungen (Ehe, eingetragene Partnerschaft, Verwandtschaft und Abstammung).
Handlungsmöglichkeiten bei Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung
Die Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der sexuellen Orientierung in Bezug auf Einstellungen, Beförderungen oder Kündigungen ist bereits seit 1996 verboten. Die Durchsetzung der Diskriminierung nach Gleichstellunggesetz gestaltet sich jedoch schwierig und kann sehr kostspielig werden. Seit Juli 2020 kann sich eine Person zudem wegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gemäss Strafgesetzbuch strafbar machen. Dabei sind die Behörden verpflichtet, solche Straftaten auch ohne Anzeige der geschädigten Person zu verfolgen. Die Kostenfolgen der geschädigten Person liegen dabei lediglich in allfälligen Anwaltskosten. Die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung bietet gegenüber der Durchsetzung der Diskriminierung nach Gleichstellunggesetz einige Vorteile. Gerne unterstützen wir Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte.
Fazit
Die Vielzahl an Möglichkeiten des Zusammenlebens (Ehe, eingetragene Partnerschaft, Konkubinatsverhältnis usw.) verursachen vielseitige rechtliche Herausforderungen. Es ist zentral, dass Sie Ihre Rechte kennen. Zentral bleibt, dass die Angleichung der Rechte in Bezug auf Erb- und Adoptionsrecht nur für Ehepaare gilt. Unabhängig von der Form des Zusammenlebens empfehlen wir IhnenVorkehrungen für die Vermögenssicherung zu Lebzeiten sowie im Todesfall zu treffen. Gerne beraten wir Sie und erstellen eine für Sie individuell zugeschnittene Lösung. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.[1]
[1] Stand März 2025; Autor: RA Matthias Hüberli.
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