Vermögensübertragung an Nachkommen zu Lebzeiten

Ein Auf­ent­halt in einem Schwei­zer Alters- oder Pfle­ge­heim führt heut­zu­ta­ge in der Regel unwei­ger­lich zu einem Ver­mö­gens­ver­zehr. Aus die­sem Grund stellt sich die Fra­ge, ob eine früh­zei­ti­ge Ver­mö­gens­über­tra­gung an Nach­kom­men sinn­voll ist. Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass schluss­end­lich auf­grund der hohen Pfle­ge­kos­ten kein Nach­lass für die Erben mehr übrig ist. Die am 1. Janu­ar 2021 in Kraft getre­te­ne Reform der Ergän­zungs­leis­tun­gen (EL-Reform) brach­te eini­ge Neue­run­gen mit sich, wel­che bei der Nach­lass- und Ver­mö­gens­pla­nung zu berück­sich­ti­gen sind.

Überblick

Im Alter ist man im Fal­le der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit mit immensen Kos­ten kon­fron­tiert. Die durch­schnitt­li­chen jähr­li­chen Kos­ten pro Bewoh­ner und Bewoh­ne­rin betra­gen ca. CHF 100’000.[1] Von die­sem Betrag noch aus­ge­schlos­sen sind Aus­ga­ben für den per­sön­li­chen Bedarf (Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten und Feri­en), Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Mobi­li­täts­kos­ten sowie Ver­si­che­run­gen. Folg­lich führt der Auf­ent­halt in einem Alters- und Pfle­ge­heim in der Regel unwei­ger­lich zu einem Ver­mö­gens­ver­zehr. Um zu ver­hin­dern, dass schluss­end­lich kein Erbe mehr übrig ist, über­tra­gen Eltern immer öfters Ver­mö­gen bereits zu Leb­zei­ten an ihre Nach­kom­men. Dies kann durch Schen­kun­gen, gemisch­te Schen­kun­gen oder Erb­vor­be­zü­ge gesche­hen. Doch wer bezahlt in einem sol­chen Fall all­fäl­li­ge Pfle­ge­kos­ten der Eltern und wel­che Kon­se­quen­zen brin­gen sol­che früh­zei­ti­gen Ver­mö­gens­über­tra­gun­gen mit sich?

Reform der Ergänzungsleistungen

Das gel­ten­de schwei­ze­ri­sche Finan­zie­rungs­mo­dell der Lang­zeit­pfle­ge ist ver­zweigt, wobei ver­schie­de­ne Erlas­se ins Gesamt­sys­tem der Finan­zie­rung hin­ein­spie­len. Ein Anspruch auf Ergän­zungs­leis­tun­gen (EL) ent­steht, wenn die AHV- oder IV-Ren­ten sowie all­fäl­li­ge zusätz­li­che Ein­kom­men den Lebens­un­ter­halt nicht decken kön­nen. Am 1. Janu­ar 2021 trat die Reform der Ergän­zungs­leis­tun­gen in Kraft und brach­te eini­ge – teil­wei­se umstrit­te­ne – Neue­run­gen mit sich. Dazu gehö­ren ins­be­son­de­re die stär­ke­re Berück­sich­ti­gung des vor­han­de­nen Ver­mö­gens, die Berück­sich­ti­gung eines grös­se­ren Ver­mö­gens­ver­zehrs sowie die Rückerstattungspflicht.

Stär­ke­re Berück­sich­ti­gung des Ver­mö­gens: Neu liegt die Ein­tritts­schwel­le für den Anspruch auf Ergän­zungs­leis­tun­gen bei einem Rein­ver­mö­gen unter CHF 100’000 für allein­ste­hen­de Per­so­nen und unter CHF 200’000 für Ehe­paa­re.[2] Der Wert der selbst­be­wohn­ten Lie­gen­schaft bleibt dabei aller­dings unbe­rück­sich­tigt.[3]

Ver­mö­gens­ver­zicht: Bei der Prü­fung des Ergän­zungs­leis­tungs­an­spruchs wird ein Ver­mö­gens­ver­zicht zum Ver­mö­gen ange­rech­net, als wäre nie dar­auf ver­zich­tet wor­den. Dies ist ins­be­son­de­re dann der Fall, wenn eine Per­son ohne Rechts­pflicht und ohne gleich­wer­ti­ge Gegen­leis­tung auf Ver­mö­gens­wer­te ver­zich­tet hat­te. Dies ist ins­be­son­de­re bei einer Schen­kung oder einem Erb­vor­be­zug der Fall. Des Wei­te­ren berück­sich­ti­gen die Behör­den neu auch einen grös­se­ren Ver­mö­gens­ver­zehr. Gibt eine Per­son inner­halb eines Jah­res ohne wich­ti­gen Grund mehr als 10% ihres Ver­mö­gens aus, so gilt dies eben­falls als Ver­mö­gens­ver­zicht.[4] Ver­zichts­ver­mö­gen wird auf den 1. Janu­ar des Fol­ge­jah­res unver­än­dert über­tra­gen und danach jähr­lich um CHF 10’000 ver­min­dert, wobei das Gesetz kei­ne Ver­jäh­rung für den Ver­mö­gens­ver­zicht vorsieht.

Rück­erstat­tungs­pflicht: Die wohl umstrit­tens­te Neu­re­ge­lung ist die Rück­erstat­tungs­pflicht der Erben. Neu müs­sen die Erben die in den letz­ten 10 Jah­ren bezo­ge­nen Ergän­zungs­leis­tun­gen des Erb­las­sers zurück­er­stat­ten, sofern der Nach­lass den Betrag von CHF 40’000 über­steigt.[5]

Risiken bei Vermögensübertragung an Nachkommen

Wird Ver­mö­gen im Rah­men einer Schen­kung oder einem Erb­vor­be­zug früh­zei­tig an die Nach­kom­men über­tra­gen, so kann die­ser Ver­mö­gens­ver­zicht zu einer Kür­zung der Ergän­zungs­leis­tun­gen füh­ren. Ein Ver­mö­gens­ver­zicht wird bei der Berech­nung der Ergän­zungs­leis­tun­gen zum Ver­mö­gen hin­zu­ge­rech­net, als wäre nie dar­auf ver­zich­tet wor­den. Rei­chen sodann EL-Zah­lun­gen nicht aus, muss die betrof­fe­ne Per­son den feh­len­den Betrag für die anfal­len­den Pfle­ge­kos­ten über die Sozi­al­hil­fe anfor­dern. Dabei kommt jedoch eine all­fäl­li­ge Ver­wand­ten­un­ter­stüt­zungs­pflicht zur Anwen­dung.[6]

Obwohl das Gesetz kei­ne Ver­jäh­rung für den Ver­mö­gens­ver­zicht vor­sieht, ist es frag­lich, wie umfas­send eine Behör­de das Vor­lie­gen eines Ver­mö­gens­ver­zichts abklärt. Ins­be­son­de­re wenn eine Schen­kung meh­re­re Jah­re zurück­liegt, kann es durch­aus sein, dass die­se für die Berech­nung der Ergän­zungs­leis­tung nicht mehr berück­sich­tigt wird.

Grund­sätz­lich gilt: Je län­ger eine Schen­kung oder ein Erb­vor­be­zug zurück­liegt, des­to bes­ser. Einer­seits kann die schen­ken­de Per­son einen jähr­li­chen Abzug von CHF 10’000 vom Ver­mö­gens­ver­zicht gel­tend machen. Ande­rer­seits besteht die Mög­lich­keit, dass die Behör­den eine län­ger zurück­lie­gen­de Schen­kung nicht berück­sich­ti­gen, respek­ti­ve nicht solch umfas­sen­de Abklä­run­gen tätigt.

Konsequenzen für die Praxis: Macht ein Erbverzicht der Kinder zu Gunsten der Eltern im erhöhten Alter Sinn?

Bei einer früh­zei­ti­gen Ver­mö­gens­über­tra­gung an die Nach­kom­men besteht das Risi­ko, dass die schen­ken­de Per­son im Fal­le der Pfle­ge­be­dürf­tig­keit kei­ne Ergän­zungs­leis­tun­gen mehr bezie­hen kann. Wie man die­sem Risi­ko am bes­ten ent­ge­gen­wir­ken kann, hängt vom Ein­zel­fall ab. Bei­spiels­wei­se stellt sich in der Pra­xis die Fra­ge, in wel­cher Lebens­pha­se und unter wel­chen Umstän­den eine Meist­be­güns­ti­gungs­klau­sel zuguns­ten des über­le­ben­den Ehe­gat­ten oder ein Erb­ver­zichts­ver­trag der Nach­kom­men zuguns­ten der Eltern sinn­voll ist. Denn in Anbe­tracht der EL-Reform kann es für Nach­kom­men vor­teil­haf­ter sein, beim Tod des erst­versterben­den Eltern­teils den gesetz­li­chen Erb­teil zu for­dern. Weil dabei der über­le­ben­de Eltern­teil nicht frei­wil­lig auf Ver­mö­gen ver­zich­tet, gilt dies EL-recht­lich nicht als Ver­mö­gens­ver­zicht und wird bei der Berech­nung einer all­fäl­li­gen Ergän­zungs­leis­tung nicht berücksichtigt.

Fazit

Die EL-Reform stellt die Nach­lass- und Ver­mö­gens­pla­nung vor neue Her­aus­for­de­rung. Wel­che ehe- und/oder erbrecht­li­chen Rege­lun­gen im Ein­zel­fall Sinn erge­ben, hängt von den jewei­li­gen Bedürf­nis­sen ab. Möch­te man sein Ver­mö­gen lang­fris­tig sichern, lohnt sich eine früh­zei­ti­ge Nach­lass­pla­nung in jedem Fall.

Hue­ber­li Lawy­ers AG ist spe­zia­li­siert auf ehe- und erbrecht­li­che Fra­ge­stel­lun­gen. Ger­ne erar­bei­ten wir mit Ihnen eine indi­vi­du­el­le Nach­lass­re­ge­lung. Wir freu­en uns über Ihre Kon­takt­auf­nah­me.[7]


[1] Die monat­li­chen Kos­ten betra­gen gemäss Cura­vi­va im Durch­schnitt CHF 8‘973. Dom­ei­sen Dani­el, Fak­ten­blatt „Pfle­ge­fi­nan­zie­rung in der Schweiz“, CURAVIVA Schweiz, Fach­be­reich Men­schen im Alter (Hrsg.) (Bern 2017).

[2] Art. 9a Abs. 1 lit. a und b ELG.

[3] Art. 9a Abs. 2 ELG.

[4] Art. 11a Abs. 3 ELG. Bei Per­so­nen mit einem Ver­mö­gen unter CHF 100‘000 gel­ten die Beträ­ge über CHF 10‘000 als Vermögensverzicht.

[5] Bei Ehe­paa­ren ent­steht eine Rück­erstat­tungs­pflicht jedoch erst aus dem Nach­lass des Zweitverstorbenen.

[6] Art. 328 Abs. 1 ZGB: Wer in güns­ti­gen Ver­hält­nis­sen lebt, ist ver­pflich­tet, Ver­wand­te in auf- und abstei­gen­der Linie zu unter­stüt­zen, die ohne die­sen Bei­stand in Not gera­ten würden.

[7] Stand März 2024; Autorin: RAin Sarah Dietschweiler.

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