Neuer Bundesgerichtsentscheid: Konkretisierung des missbräuchlichen Herausverlangens von Personaldossiers (Datenschutzrecht)

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Mit Urteil vom 18. November 2020 (4A_277/2020) hat das Bundesgericht das Rechtsmissbrauchsverbot in Bezug auf Art. 8 des Datenschutzgesetzes konkretisiert. Nach wie vor ist der Einblick ins Personaldossier grundsätzlich ohne Grundangabe möglich. Allerdings rechtfertigt sich in gewissen Konstellationen von Gesetzes wegen eine Interessensabwägung. Ein Einblick in das Personaldossier darf nicht einzig den Zweck verfolgen, Informationen betreffend die Beweislage für ein (künftiges) Verfahren gegen den Arbeitgeber zu sammeln.
Verlangt ein Arbeitnehmer Einblick in das Personaldossier, stützt er sich aus rechtlicher Sicht sowohl auf arbeits- als auch datenschutzrechtliche Grundlagen ab (Art. 328b des Obligationenrechts [OR] i.V.m. Art. 8 des Datenschutzgesetzes [DSG]). Gemäss datenschutzrechtlicher Vorgaben hat jeder Arbeitnehmer ein umfassendes Auskunftsrecht in Bezug auf alle durch den Arbeitgeber über ihn gesammelten Daten. Auskunftserteilungen dürfen dem Verbot des Rechtsmissbrauchs jedoch nicht zuwiderlaufen.
Mit Urteil vom 18. November 2020 (4A_277/2020) hat das Bundesgericht das Rechtmissbrauchsverbot konkretisiert. Ein datenschutzrechtlicher Rechtsmissbrauch (in Bezug auf Art. 8 DSG) liege dann vor, wenn das Auskunftsrecht, resp. die daraus erlangten Informationen, zu datenschutzwidrigen Zwecken eingesetzt würden. Ein Rechtsmissbrauch liege z.B. in der Ausübung des Auskunftsrechts (zum alleinigen Zweck) Datenbeschaffungskosten zu sparen oder den Arbeitgeber zu schikanieren resp. zu schädigen. Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass ein Rechtsmissbrauch grundsätzlich zu bejahen sei, wenn das Auskunftsbegehren zum einzigen Zweck eingereicht werde, den Arbeitgeber als (künftige) Gegenpartei im Prozess auszuforschen sowie um Beweise zu beschaffen, an welche der Arbeitnehmer anderweitig nicht gelangt wäre.
Diese Konkretisierung ändert nichts am Umstand, dass ein Einblick in das Personaldossier durch den Arbeitnehmer unter geltender Rechtslage grundsätzlich ohne Nachweis eines Interessens durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt erscheint. Aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben (Art. 9 DSG) kann sich allerdings eine Abwägung der gegenseitigen Interessen aufdrängen. Deshalb ist die Rückfrage des Arbeitgebers bezüglich des Grundes für die Einsicht ins Personaldossier nicht von vornhinein ausgeschlossen. Das Rechtsmissbrauchsverbot bleibt zu jeder Zeit vorbehalten. Das geltende Recht sieht verschiedene Gründe für eine Einschränkung des Auskunftsrechts vor: Der Inhaber der Datensammlung kann z.B. die Auskunft verweigern, einschränken oder aufschieben, wenn ein Gesetz im formellen Sinn dies vorsieht oder es wegen überwiegender Interessen Dritten erforderlich erscheint. Bei einer Verweigerung, Einschränkung oder Aufschiebung der Auskunftspflicht hat der Inhaber der Datensammlung dem Auskunftsersuchenden allerdings den Grund bekannt zu geben.
Sinn und Zweck des Auskunftsrechts von Art. 8 DSG ist es nicht, die Beweismittelbeschaffung des Arbeitsnehmers zu erleichtern resp. ins Zivilprozessrecht einzugreifen. Vielmehr dient es der Durchsetzung des Persönlichkeitsschutzes: Es soll der betroffenen Person, über welche Daten bearbeitet werden, eine Kontrolle ermöglichen, ob der Datenbearbeiter die datenschutzrechtlichen Vorgaben (Beschaffung mittels rechtmässiger Mittel, Bearbeitung nach Treu und Glauben, Zweckbindung, Richtigkeit, Verhältnismässigkeit der Bearbeitung etc.) einhält.
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