Was darf im Arbeitszeugnis stehen, was nicht?
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Form des Arbeitszeugnisses
Der Arbeitnehmer kann zwischen einem Vollzeugnis und einer Arbeitsbestätigung wählen. Die Arbeitsbestätigung beschränkt sich auf die Angabe der Dauer des Arbeitsverhältnisses und die ausgeübte Funktion.1 Die Arbeitsbestätigung wird in der Regel ausgestellt, um ein negatives Arbeitszeugnis zu vermeiden.
Das Arbeitszeugnis ist auf Wunsch jederzeit auszustellen. Der Arbeitnehmer kann dieses während des Arbeitsverhältnisses (Zwischenzeugnis) und/oder bei dessen Beendigung sowie danach (Schlusszeugnis) verlangen.2 Für die Ausstellung eines Zeugnisses während der Anstellung, muss der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen, wobei an den Interessennachweis keine hohen Anforderungen zu stellen sind.3
Inhalt des Arbeitszeugnisses
Das Vollzeugnis muss mindestens die Personalien des Arbeitnehmers, die notwendigen Angaben zum Arbeitgeber und dessen Unterschrift, Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses, eine detaillierte Auflistung der Funktionen und der wichtigsten Tätigkeiten des Arbeitnehmers sowie eine aussagekräftige Bewertung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers enthalten.4 Die Leistung betrifft die Arbeitsmenge, Arbeitsgüte und Arbeitsbereitschaft, das Verhalten qualifiziert die Beziehung zu anderen Personen.5
Bei der Ausstellung des Zeugnisses sind insbesondere der Grundsatz der Wahrheit, der Vollständigkeit und des Wohlwollens zu beachten.6 Aus den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit folgt, dass das Zeugnis über alle wesentlichen Punkte Auskunft geben muss und objektiv richtig sein muss.7 Als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers8, welche dem Arbeitgeber gebietet, die Interessen seines Arbeitnehmers in guten Treuen bestmöglich zu wahren, muss das Arbeitszeugnis grundsätzlich wohlwollend formuliert sein. Vereinzelte Vorfälle und geringfügige Verfehlungen haben ausser Betracht zu bleiben.9 Dieser Grundsatz kann in einem Spannungsverhältnis zu den beiden vorgenannten Grundsätzen stehen. Einerseits soll das Zeugnis zukünftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben, andererseits aber das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht behindern.10 Wohlwollende Beurteilung bedeutet aber nicht, dass das Zeugnis keine negativen Äusserungen über den Arbeitnehmer haben darf. Der Arbeitnehmer hat lediglich Anspruch auf ein objektiv wahres Arbeitszeugnis. Er hat keinen Anspruch auf ein gutes Arbeitszeugnis. Das Interesse künftiger Arbeitgeber an der Zuverlässigkeit von Zeugnissen gebietet, dass der Massstab der wohlwollenden Beurteilung an der Wahrheitspflicht seine Grenze findet.11
Bei Arbeitszeugnissen hat sich in bestimmten Branchen eine Codierung oder Geheimsprache entwickelt, indem viele relativ positiv scheinende Qualifikationen unter den Eingeweihten eine wesentlich negativere Bedeutung besitzen.12 Bekannt ist beispielsweise die Formulierung «Zur vollsten Zufriedenheit», wobei das Wort «vollsten» bei negativen Leistungen jeweils abgeschwächt oder gar weggelassen wird.13 Codierte Zeugnisse verstossen wegen ihrer täuschenden Wirkung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben14 und sind daher unzulässig.15
Das Arbeitszeugnis ist eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn und auch ein Zeugnis im Sinn des Strafgesetzbuches. Der Arbeitgeber, der ein falsches Zeugnis ausstellt, kann sich deshalb strafbar machen.16 Ebenso der Arbeitnehmer, der ein solches fälscht.
Referenzauskünfte
Pendant zum Arbeitszeugnis ist das Erteilen von Auskünften durch den alten Arbeitgeber gegenüber dem möglichen künftigen Arbeitgeber. Ziel dieser Referenzauskünfte ist es, den vom Arbeitszeugnis vermittelten Eindruck zu vertiefen.17 Auch die mündlichen Auskünfte müssen die oben erwähnten Zeugnisgrundsätze, d.h. den Grundsatz der Wahrheitspflicht und die Beschränkung auf Aussagen betreffend die Eignung des Arbeitnehmers erfüllen, sowie nicht unnötig hinderlich für das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers sein.18 Einholen und Erteilen von Referenzen sind genauso wie das Ausstellen von Arbeitszeugnissen Datenbearbeitungen.19 Aus diesem Grund bedarf eine Referenz aus heutiger Sicht der Zustimmung des Arbeitnehmers.20 Die Benennung einer Referenzperson in den Bewerbungsunterlagen ist dabei als Zustimmung zu werten.21
Gerne unterstützen wir Sie im Umgang mit Arbeitszeugnissen oder in anderen arbeitsrechtlichen Belangen. Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme.
1 Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 6.A.,
Zürich 2006, N 4 zu Art. 330a.
2 Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 2 zu Art. 330a.
3 Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 2 zu Art. 330a.
4 BGE 129 III 177, E. 3.2; Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 3 zu Art. 330a mit weiteren Hinweisen.
5 Egli, Die Formulierung von Arbeitszeugnissen, in: Entscheide des Arbeitsgerichtes Zürich 2002, S. 63.
6 Vgl. dazu ausführlich Janssen, Die Zeugnispflicht des Arbeitgebers, Schriften zum Schweizerischen Arbeitsrecht, Bern 1996, S. 71 ff.
7 BGE 129 III 177, E. 3.2.
8 BGE 129 III 177, E. 3.2.
9 Rehbinder/Stöckli, Berner Kommentar zum OR, Band VI, 2. Abt., 2. Tb, Bern 2010, N 14 zu Art. 330a.
10 Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 3 zu Art. 330a.
11 Rehbinder/Stöckli, a.a.O., N 14 zu Art. 330a.
12 Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 9 zu Art. 330a.
13 Ausführlich dazu Class/Bischofberger, Das Arbeitszeugnis und seine „Geheimcodes“, Zürich 2000, S. 59 ff.
14 Art 4 Abs. 2 DSG (SR 235.1; Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über
den Datenschutz).
15 Portmann, a.a.O., N 7 zu Art. 330a.
16 Art. 252 StGB, BGE 101 II 69).
17 Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 8 zu Art. 330a.
18 Rehbinder/Stöckli, a.a.O., N 27 zu Art. 330a.
19 Vgl. Art. 328b OR und Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 8 zu Art. 330a.
20 Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 8 zu Art. 330a.
21 Rehbinder/Stöckli, a.a.O., N 27 zu Art. 330a.